Samstag, 11. Juni 2011

proud of grubenschnitzel

http://www.youtube.com/watch?v=c0Z9CNSCM84Zuerst begrüße auch ich Sie alle ganz herzlich, ich habe jetzt die ehrenvolle Aufgabe noch die Schülerrede zu halten, bevor wir dann alle unsere eigenen Wege gehen und uns in der großen weiten Welt verlieren.
Der Anfang ist bei einer Rede bekanntlich das schwerste. Mehrmals wurde mir geraten, mit einem Zitat einzusteigen, weil zu jeder anständigen Abiturrede scheinbar mindestens ein Zitat gehört. Aber mit wem können sich erfolgreiche Abgänger des HLG identifizieren? Man könnte meinen, nach so vielen Monaten der intensiven Analyse hätten wir z.B. ein tiefes Verständnis für Kafka entwickelt. Wenn man allerdings uns Schüler fragen würde, welche Wirkung dieser selbstzerstörerische, vom Vaterkomplex verfolgte prager Schriftsteller auf uns hatte, wären Spontanantworten wie „kafkaesk verstörend“ keine Seltenheit. Und da ich nicht vorhabe, auch sie -liebe Zuhörerinnen und Zuhörer- heute Abend zu verstören, habe ich diese Idee schnell verworfen.
Vom kleistschen Kohlhaas hätte ein Satz genügt, um die ganze Rede zu füllen. Und von Dürrenmatt bekam ich beim Schreiben den nützlichen Hinweis: Die Hälfte dessen, was man schreibt, ist schädlich, die andere Hälfte unnütz.
Die drei Autoren, die dieses Jahr alle Abiturienten in Baden-Württemberg kennen und lieben gelernt haben, haben mir also nicht sonderlich weitergeholfen- Ja, manches an Gymnasien mühevoll vermittelte Wissen-das zeigt sich hier-ist alltagsuntauglich.
Aber mir geht es nicht darum, den Lehrplan zu kritisieren. Darüber darf sich die nächste Generation von Schülern ärgern. Nein, es geht hier jetzt um den Abschluss eines Lebensabschnittes, der 2/3 unseres bisherigen Lebens ausmacht- unsere Schulzeit!
Und zu diesem feierlichen Anlass würde ich gerne einige meiner Mitschüler zitieren. Diese konnte ich- im Zeichen der Zeit und Facebook sei Dank- um tatkräftige Unterstützung bei dieser Rede bitten. Natürlich mussten dabei einige Beiträge gekürzt -oder zensiert- werden, aber ich finde es schön zu hören, was meine Mitschüler zum Thema Schulabschluss sagen- Schließlich sind sie die Berühmtheiten von Morgen!
Da die meisten von uns entgegen aller pessimistischen Prognosen tatsächlich bestanden haben, kann ich Lisa Schaaf zitieren. Sie schrieb: „wir sind nicht ZU BLÖD FÜRS ABI!!“ und hatte Recht. Dazu gratuliere ich uns allen, wir können stolz auf uns sein!
Christopher Schätzle meinte unter anderem, Gemeinschaft und Freundschaft hätten unsere Stufe geprägt. Zudem würden wir hervorstechen, weil wir uns an eigentlich keine Traditionen halten. Als ein Beispiel sei hier der morgige Abiball erwähnt, der -nach Ansicht mancher- für Lehrer kostenlos sein sollte.
Wodurch sticht-oder besser stach- unsere Stufe noch hervor? Besonders hat sich bei mir das Meisterstück „Auf güldenem Grunde“ tief ins Gedächtnis eingebrannt. Dieses unvergessliche Kurztheater schrieben wir auf eigene Initiative in Klasse 7 und wir überraschten ahnungslose Mitschüler und Lehrer mit dadaistisch anmutenden Szenen.
Die traditionellen Klassenausfahrten nach Hallig Hooge und Frankreich blieben den meisten trotz den üblichen emotionalen Krisen während dieses kritischen Alters gut in Erinnerung. Carina Jauch meinte zu unserer Schulzeit: Im Grunde haben wir mehr gelacht als geheult, deswegen war‘s eine schöne Zeit.
Tja und diese Zeit geht heute zu Ende. Jahrelang haben wir auf diesen glorreichen Moment, auf dieses eine Zeugnis hingearbeitet, haben um jede Note und später jeden Punkt unerbittlich gekämpft.
Abipunktur, jeder Punkt kostet Nerven. Als ich dieses Motto zum ersten Mal hörte, war es einerseits lustig, andererseits wird einem bewusst, wie viel Nerven und wertvolle Zeit uns dieses kleine Stück Papier gekostet hat- das Papier, das eigentlich nur unsere Leistungen oder Eigenschaften wie Ehrgeiz oder schnelle Auffassungsgabe bescheinigt, nicht aber unsere vielen verschiedenen Persönlichkeiten zeigt.
Mit diesem Satz konnten sich in unserer Stufe die meisten identifizieren, deswegen wurde er schließlich gewählt. Natürlich gab es auch den ein oder anderen Lehrerschreck, ich habe schließlich nicht vor, zu idealisieren. Aber unser Motto zeigt, dass wir Schüler einer leistungsorientierten Generation sind, die bemüht ist, das Beste aus sich herauszuholen- Das stresst natürlich.
Als ich mir Abireden von anderen Schülern, aus anderen Zeiten durchlas, ist mir eins klar geworden: Jede Abirede nimmt ihren eigenen Zeitgeist in sich auf. Von den 1970ern las ich eine flammende, pathetische Rede über die Gefahren einer atomaren Bedrohung, einem möglichen dritten Weltkrieg, da ging es um massive Kritik am Kapitalismus und die Forderung, das ganze Gesellschaftssystem umzuwälzen.
Vielleicht gibt es so etwas heutzutage immer noch, aber ich soll ja von meinen persönlichen Erfahrungen und Eindrücken sprechen. Natürlich wurden bei uns auch hitzige Diskussionen geführt- So bewegte uns beispielsweise das Luxusproblem Stuttgart 21 natürlich zutiefst. –Wird der Bahnhof nur modern, oder noch moderner?
Wenn ich so an die vergangenen Jahre denke, möchte ich auf keinen Fall in vorzeitige Nostalgie verfallen-das kommt dann bei uns dann in 30 Jahren!
Man muss aber sehen, dass unsere Schule einen besonderen Charme ausstrahlt, dem man sich schwer entziehen kann. Und das nicht nur wegen der reizvollen Architektur, dem eigenen Park und der unglaublich eindrucksvollen täglichen Disziplin am Esstisch. Wir waren trotz all der hohen Anforderungen, die an uns gestellt wurden, wir waren trotz des Leistungsdrucks- ein Teil der wohlbehüteten Gemeinschaft des HLG.
Tja und von diesem sicheren Elfenbeinturm steigen wir jetzt herab in die raue Welt der –ich möchte hier allerdings keine Berufsgruppen diskriminieren!- skrupellosen Finanzhaie und hinterlistigen Politiker. Wir, die wir idealerweise zu künstlerischen, musikalischen Schöngeistern geformt wurden.
Auf uns warten große Aufgaben wie der Kampf gegen den Klimawandel und auch wir werden die Folgen einer globalisierten, sich immer schneller drehenden modernen Welt zu spüren bekommen und oft genug wird uns unser Leben erscheinen wie wohl Dürrenmatt es erschienen sein muss, wenn er davon sprach, dass nur das groteske, das absurde Theater zeitgemäß wären.
Für alle unwissenden sei gesagt: Das ist eine Richtung des Theaters des 20. Jahrhunderts, die die Sinnfreiheit der Welt und den darin orientierungslosen, modernen Menschen darstellt.
Und ich glaube deswegen war das Abitur-für viele von uns- so wichtig:


Es zeigt uns: Ja, wir können uns bewähren, schließlich haben wir den höchsten Bildungsabschluss in Deutschland –und den sogar in Baden-Württemberg! Wir wurden 13 lange Jahre auf diese ungewisse Zukunft vorbereitet, und entwickelten-zumindest hoffentlich- soziale Kompetenzen, die uns auf dem Arbeitsmarkt weiterhelfen können und werden. Wir haben so z.B. gelernt mit den verschiedensten Menschen und Lehrern klarzukommen.
Persönlichkeitsbildung ist hier das Schlagwort.

Liebe Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer jetzt ist es an der Zeit, ihnen im Namen der diesjährigen Abiturienten zu danken. Sie haben zwei lange Jahre mit uns erfolgreich überstanden und uns bis zum bitteren Ende nicht aufgegeben. Sie haben uns schon hier universitäres Leben gezeigt, was übersetzt bekanntlich die Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden bedeutet. Auch ihnen verdanken wir die Chancen, die uns dieser Schulabschluss ermöglicht und Sie waren es, die uns 2 Jahre geduldig begleitet haben- viele kennen uns auch noch länger.
Auch wenn wir uns jetzt verabschieden, ein kleines Stück von uns bleibt in diesen Mauern. Zum einen haben auch wir Spuren hinterlassen-und damit meine ich nicht primär unser Abidenkmal. Wir waren für ein paar Jahre Teil dieser Gemeinschaft und haben die Schule mitgestaltet.
Natürlich hinterlässt da der jetzige Abschied ein ambivalentes Gefühl: Da ist der Stolz, es endlich geschafft zu haben, die Hoffnung auf einen neuen, erfolgreichen Lebensabschnitt, Trauer über den Abschied von alten Freunden und vielleicht auch die Ungewissheit oder Angst, vor etwas ganz neuem, unbekannten zu stehen. Wir sind an einem Scheideweg in unserem Leben angekommen, an dem noch keiner so genau weiß, was die Zukunft bringt, an dem noch keiner weiß, welche Konsequenzen die jetzt zu treffenden, großen Entscheidungen haben werden.
Es heißt, nur die fehlende Hoffnung auf ein Wiedersehen macht einen leidvollen Abschied. Und das ist an unserer engagierten Schule glücklicherweise unmöglich: Da gibt es zahllose, regelmäßige Großveranstaltungen wie Chorkonzerte, die Weihnachtsfeier oder das jährliche Parkfest.
Ich bin gespannt zu sehen, was die Zukunft für uns alle bereit hält, was passiert sein wird, wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen. Aber lasst uns vorerst nicht mehr an die Zukunft denken, denn, wie Einstein richtig erkannt hat: Die Zukunft kommt früh genug!
Deswegen bedanke mich fürs geduldige Zuhören, ich weiß jetzt kommt bald der wichtigste Teil unserer Feier und alle warten schon gespannt auf ihren Freibrief in die Freiheit.
Und obwohl wir nicht in den Genuss dieser Art von humanistischer Bildung kamen, möchte ich dennoch mit einem lateinischen Zitat enden: Impavidi progrediamur = Unverzagt wollen wir vorwärts schreiten!
Hörhilfe +  
Erwiederung

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